„Ungewissheit in den Naturwissenschaften – Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis“
Unsere Gegenwart ist von tiefgreifenden Verunsicherungen geprägt. Gesichert geglaubte Weltbilder, Wertvorstellungen und tradierte Wissensordnungen wurden erschüttert, und die Euphorie der Jahre 1989/90 ist verflogen. Das gilt für den vermeintlichen Siegeszug der Demokratie ebenso wie für die bisherige Selbstwahrnehmung des „Westens“ als Impulsgeber für Fortschritt und Entwicklung. Hinzu kommen geopolitische Krisen, die das Empfinden von unkontrollierbaren Veränderungen verstärken.
Bereits zum zweiten Mal lädt die Ringvorlesung „Kultur und Politik in Zeiten der Ungewissheit“ im Sommer 2016 führende Wissenschaftler und Intellektuelle ein, zu großen Fragen unserer Zeit Stellung zu beziehen und – wo möglich – neue Wege zum Umgang mit Ungewissheit aufzuzeigen.
„Ungewissheit in den Naturwissenschaften – Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis“
Die Naturwissenschaften werden verschiedentlich, und durchaus auch von Naturwissenschaftlern selbst, als neue Theologie gefeiert: Implizit wird vielfach angenommen, dass grundsätzlich alle wissenschaftlichen Fragen auch beantwortet werden können. Ein illustres Beispiel dafür ist das mit einer Milliarde Euro geförderte „Human Brain Project“, das angetreten ist, ein virtuelles Computer-Gehirnmodell zu erschaffen – und damit bisher erwartungsgemäß kläglich gescheitert ist. Dabei werden zwei wesentliche Beschränkungen unserer Erkenntnis ignoriert: einerseits gibt es hochkomplexe Systeme, deren Verhalten im Detail grundsätzlich nicht prognostiziert werden kann; andererseits muss davon ausgegangen werden, dass auch unser menschliches Gehirn, wie jedes andere „Gehirn“ eines Organismus, als evolutionäres Produkt bestimmten Erkenntnisgrenzen unterworfen ist. Eine evolutionsbiologische Betrachtung kann uns hier eine gewissen Bescheidenheit und Demut lehren.
Volker Mosbrugger
Paläontologe
Frankfurt am Main